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Den Berg besteigen

"Wer einen Berg besteigen will, fängt unten an" oder "Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt" - nette Sprüche, sicher auch mit Wahrheitsgehalt und doch könnte man immer auch Gegenargumente bringen, wie heliskiing oder Taxi zum Flughafen.


Man kann also durchaus Abkürzungen und Beschleunigungen wählen, schneller den Ort wechseln und Kräfte sparend Distanzen überwinden.

Und doch gibt es diese Sprüche wie auch: "Nur wo du zu Fuß warst, warst du wirklich" ja aus einem bestimmten Grund. Es sind Weisheiten enthalten, die zum Innehalten und Nachdenken anregen. Man hinterfragt die eigene Einstellung und Position zu bestimmten Themen und zum Leben.

"Ist mein Leben in Balance zwischen Arbeit und Freizeit?"


Dann geht es weiter - was ist "Freizeit"? Und warum ist Arbeit etwas so völlig davon Getrenntes und Anderes?


In der Meditation verbindet sich die Achtsamkeit auf alle Bereiche. Es ist also egal, ob ich im Beruf am Rechner sitze und Videokonferenzen abhalte oder ob ich schnell zum Flieger hetzen muss, weil ein Meeting länger als geplant gedauert hat. Die Kita hat heute zu und die Kinder sind daheim, während der Haushalt nach Putzen schreit und eine Kundin eigentlich gestern schon den neue Ring abholen hatte wollen.

Bin ich sozusagen online mit mir selbst, beachte ich meine Bedürfnisse und Emotionen daraus, handle ich konzentriert und bewußt, egal, ob es gerade sogenannte Freizeit oder Job ist und wo ich mich bewege.

Aber geht das immer?

Muss ich nicht oft einfach reagieren, ohne lang nachzudenken oder bewußt zu atmen und achtsam jeden Schritt wahrzunehmen?


Sicher ist es oft im Alltag stressig, Auto fahren und telefonieren, Kinder beruhigen und das letzte Personalgespräch im Kopf - was von diesem Stress aber können wir beeinflussen durch bewußtes Handeln und klares Pausieren.

Ist eine Atempause zwischendurch als Distanz zum direkten Geschehen nicht genauso wie die Meditationszeit am Morgen?


Würden wir alle rauchen, hätten wir für die Dauer einer Zigarettenlänge kurz Pause und stünden draußen statt drinnen im Büro, um zur scheinbaren Ruhe zu kommen. Scheinbar zur Ruhe, denn das Nikotin hat ja eine entgegensetzte Wirkung. Und wir werden eher nervös, wenn dann die nächste Zigarette ausbleibt. Also keine Lösung.

Was aber ist dran am echten Atem holen? Wirklich frische Luft aufnehmen?


Sich Zeit nehmen und raus gehen - das möchte ich gern und oft wünsche ich mir im Zug auf dem Weg zur Arbeit, lieber raus zu gehen, statt Streitigkeiten zwischen Passagieren mitzuerleben - die Enge im Zug, die Masken im Gesicht - es ist anstrengend.


Dann meditiere ich.

Das geht.

Ich brauche noch nicht mal Kopfhörer, um mich akustisch abzuschirmen.


Dann gehe ich den ersten Schritt wie auf einen Berg und gehe in mich mit meiner Aufmerksamkeit. Ich atme ein, ich atme aus - lasse los - und gehe in mich. Was hat das außerhalb von mir mit mir wirklich zu tun? Was kann ich tun oder lassen und ist nicht das Sein jetzt gerade das Einzige, das zählt?


Viele stürzen sich regelrecht in die Flucht des Internets durch das smartphone und sitzen entsprechend gebeugt im Zug. Braucht es aber gar nicht.

Ich sitze gerade, sehe und höre aber bin in mir. Lese keine Internet tweets, sondern lausche meinem Atem.


Eine richtig gute Übung zur Meditationspraxis ist es, nicht zu fliehen in andere Welten, sondern wertfrei und achtsam wahrzunehmen - genau hinzusehen und gleichzeitig in sich selbst zu bleiben.


Wie beim Berg steigen - die Umgebung wahrnehmen, genau schauen, wo welcher Stein im Weg liegt und den nächsten Schritt setzen.


So gehe ich also einen Berg von unten los und verzichte auf den Helikopter. Ich gehe zu Fuß und lasse das Auto stehen. Und komme so wieder mit mir selbst in Kontakt, was mich erdet und beruhigt. Die nächste Runde von Anforderungen kann kommen, denn ich habe aufgetankt.


Den Berg besteigen

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